Das Geheimnis der aus der Farbe geschaffenen Malerei | Die Vollendung einer Schöpfung | Schöpferische Freiheit | Glanz- und Bildfarben
 
 
     
 

Aus der Briefsammlung des Meisters

DAS GEHEIMNIS DER AUS DER FARBE GE SCHAFFENEN MALEREI

Der ganze lange künstlerische Weg von Beppe Assenza ist gekennzeichnet von einem grossen Bestreben: der Farbe Leben zu verleihen.

Aus dem Buch Von Minardo.
Cresima *

Da die Farbe das erste und hauptsächliche Ausdrucksmittel der Malerei ist, zeigt letztendlich die gesamte Kunstgeschichte, trotz der Verschiedenartigkeit der Stilrichtungen, in allen Epochen das ständige Bemühen, aus der Farbe eine immer sprechendere Mitteilbarkeit zu entwickeln. Aber Assenza hatte wie eine Ahnung davon, dass die Farbe Empfindungen auslösen könnte, die über die einfache Mitteilbarkeit hinausgehen.

Anfänglich führte die Suche Assenzas dazu, in das Erleben des Expressionismus einzutauchen, der zu der Zeit seinen Höhepunkt erreicht hatte, aber er wurde tief enttäuscht.

Die übermächtige farbliche Lebendigkeit, die gerade jener Richtung eigen war, entsprach nicht den intimen aber lebendigen Farbempfindungen, die in seiner Seele aufstiegen und die er doch nicht auf seiner reichen Palette erzielen konnte, noch sah er die Möglichkeit einer solchen Verwirklichung innerhalb der fortgeschrittensten malerischen Tendenzen seiner Zeit.

Aus dem Buch Von Minardo.
Acquerello, senza titolo *

Erst später hatte er Gelegenheit, die anthroposophische Weltauffassung kennen zu lernen und in ihrem Zusammenhang auch die originelle Auffassung Goethes und Rudolf Steiners über das Wesen der Farben und die reichen, lebendigen und intimen Empfindungen, welche diese – wenn man sie ihrer Natur gemäss wirken lässt – in der Tiefe der Seele auslösen.

Der Impuls Rudolf Steiners zur Erneuerung der auf diesen Erkenntnissen aufgebauten Malkunst war für Assenza eine Offenbarung. Er empfand, dass er durch ihre Vertiefung einen Weg würde finden können, um den Farben seiner Malerei aktives Leben zu verleihen.

Daher arbeitete er über viele Jahre an dem Ziel, seine Wahrnehmungsfähigkeit durch die Sensibilisierung der Seele, die Eloquenz der einzelnen Farben und ihrer Verhaltensbedürfnisse zu verfeinern.

Denn in der Tat sind die eigene Natur der Farben und ihrer dynamischen Gesetzmässigkeiten und somit die Möglichkeit ihrer vielfältigen Erscheinungsformen nicht mit wenigen Worten in Regeln zusammen zu drängen: sie können ausschliesslich durch die Seele wahrgenommen werden.

Der Experte kann den Anfängern nur einige Hinweise allgemeiner Art geben, die sich auf die gewöhnlichsten Situationen beziehen, aber um eine farbliche Komposition nach der anthroposophischen Auffassung der Malerei zu entwickeln, muss der Künstler seine Seele auf ein empfängliches Verhalten einstimmen, um – bei allen einzelnen Umständen – die Bedürfnisse der Bewegung der Farben, sowohl einzeln als auch in ihrer Annäherung aneinander, zu empfinden.

Assenza wollte gewiss gerade dies unterstreichen, als er in seinem Brief vom 27.11.1976 an den Autor, in welchem er, die Hinweise Rudolf Steiners zu „Malen aus der Farbe heraus“
kommentierend, sich lapidar folgendermassen ausdrückt:
„Aus der Farbe heraus malen ist geheimnisvoll. Um ihm näher zu kommen, ist ein Erkenntnisakt in der Sphäre der bewussten Schöpfung durch seelische Beobachtung“
erforderlich. .

Man kann seine Worte wie eine Aufforderung auffassen, die Farbe in völliger innerer Stille kontemplativ zu betrachten, bis man sie lebendig und gegenwärtig, fast als ob man sie berühre, in seinem ganzen Sein empfindet, um dann in voller Bewusstheit zu dem Empfinden zu kommen, welche anderen Farben sie verlangt und wie sie sich im Verhältnis zu ihnen bewegen wollen.

Nur durch eine tiefgehende Erfahrung dieser Art kann sich wirklich ein kreativer Akt im Sinne Steiners vollziehen.

Sicher wollte Assenza dieses aussagen, denn so arbeitete er.

Aus dem Buch Von Minardo.
Acquerello, cm 40 x 35, senza titolo (collezione privata) *

Assenza führt das ganze Verfahren in strenger Beachtung der Anforderungen gegenüber der Bewegung und der weiteren Farbannäherungen durch, die sich aus der seelischen Beobachtung ergeben haben, jedoch in völliger Freiheit.

Und dies, weil die natürlichen Gesetze der Farben nicht auf eindeutige Weise zum Ausdruck kommen, sondern sie erlauben unbegrenzte Vorgehensweisen, je nach Wahl des Schaffenden. So wie ein Architekt im vollen Bewusstsein der physikalischen und chemischen Gesetzmässigkeiten der verwendeten Materialien bei strenger Beachtung derselben frei ist, gemäss seiner Phantasie zu schaffen.

Es ist klar, dass die Arbeitsweise Assenzas sich grundsätzlich unterscheidet von den gewöhnlich von vielen anderen Liebhabern der Farbe angewandten Methoden, die gewohnt sind, die Farbe einzufangen, die in ihrem Bewusstsein von einer Emotion gegenüber einem Ereignis oder einem gedachten Thema geweckt wurde, um diese dann auf der Leinwand aufzutragen und dem eigenen Gefühl entsprechend zu entwickeln.

Dies ist eine subjektive Art, die Farbe einzusetzen; Assenza arbeitet dagegen nach einem objektiven Verfahren.

DIE VOLLENDUNG EINER SCHÖPFUNG

Was bisher beschrieben wurde, ist nur eine erste Stufe des schöpferischen Vorgehens bei Assenza. In seinem Brief an den Autor vom 30.08.1976 beschreibt der Maestro weiter:
„Die drei Stufen kurz zusammenfassend:
1° 1.Belebung der Materie aus dem Elementarischen ( selbständiger malerischer Organismus);
2° 1.Verkörperung der Idee;
3° 1.Transsubstantiation der Materie durch Form und Idee.“

Wenige Worte, aber sehr bedeutungsvoll.

Der Maler verfügt nur über Materie, bestehend aus verschiedenen einzelnen Farben, isoliert und unabhängig, in reinem Zustand. Mit ihnen hat er vor, eine „Komposition“ zu schaffen, um diese dann in einem bedeutenden malerischen Werk abzuschliessen. Zur Kennzeichnung dieses Prozesses benutzt Assenza nicht den Ausdruck „die Materie bearbeiten“, sondern er geht weiter, er will sie „beleben“. Und das ist nur möglich, wenn man nach der oben beschriebenen Methode arbeitet.

Dies ist das anthroposophische Projekt für ein Gemälde. Nicht einfach in angenehmer, bedeutungsvoller und ausgeglichener Weise die Farben miteinander zu kombinieren, sondern sie so zu komponieren, dass sie wie lebendig erscheinen.

Estratti dalla lettera del 27.11.1976

Der Vorgang muss zur Vollendung eines „selbständigen Organismus“ führen, der seine Rechtfertigung in sich selbst hat, vollständig ist und einen abgeschlossenen Sinn hat, so dass er sich selbst trägt und in welchem jedes einzelne Element nicht für sich allein besteht, sondern in Funktion der anderen und damit des Ganzen. Nichts darf darin unnütz oder nicht dazu gehörig erscheinen, sondern im Gegenteil unentbehrlich, um dem Ganzen einen Sinn zu geben.
In einem Brief vom 10.10.1973 führt Assenza aus, welches die einfachsten und grundlegendsten Elemente eines Farborganismus sind. Er schreibt:

„Vom malerischen Gesichtspunkt aus gesehen, kann man sich vor einer Farbübung fragen: bis zu welchem Grad sind die rein malerischen Elemente Farbe, Bewegung, Form und Charakter verwirklicht worden?“

Diese sind die Hauptpunkte eines malerischen Verfahrens. Assenza betrachtete sie nicht als einfache Elemente einer Komposition, sondern als Wesenheiten mit eigener Existenz, einer eigenen Daseinsweise, die sich jedoch harmonisch in die anderen einfügen muss.

Eine Farbe offenbart sich in ihren vielfachen Aspekten, das heisst in verschiedenen Tonalitäten: stark, mittel, hell oder Nuance, aber sie kann nicht isoliert bleiben. Sie hat das Bedürfnis, sich mit anderen Farben zu vereinen, aber mit welchen?

Die Bewegungen, die sich infolge der Dynamik der Farben ergeben, wechseln ständig, um sich den auftretenden Metamorphosen anzupassen. Aber sie folgen nicht mechanisch dem Verlauf der Ereignisse: sie leben in der Seele als webende und konstruierende Kräfte, und von ihr müssen sie gelenkt werden.

All dies kann nicht dem Instinkt des Augenblicks überlassen werden und je nach Gefallen die verschiedensten Charakterzüge annehmen, sondern es muss eine einheitliche Sprache sprechen. Dies ist die Form.

Lettera del 03.08.1976, pag 1
Lettera del 03.08.1976, pag 2

Schliesslich muss sich aus dem Ganzen eine klare Charakteristik ergeben, die diese Komposition von jeder anderen unterscheidet und differenziert. Eine jede ist eine Welt für sich und wird demnach auch einen eigenen Charakter haben.

So kann man die eben zitierte Mahnung des Maestro verstehen: „Gegenüber einer Farbstudie überlege und frage, ob du die vier grundlegenden malerischen Elemente korrekt verwirklicht hast.“

Aber das ist noch nicht alles.

Selbstverständlich ist das Verhältnis, das sich zwischen den verschiedenen Elementen ergibt, genauso bedeutungsvoll. Hierzu führt Assenza am 03.08.1976 aus: „Wichtig sind die Intervalle und die Umgebung, die sie bildet und rechtfertigt.“ Ihre Beachtung und ihr kluger Einsatz repräsentieren eine der Stärken seiner Malerei.
In der Tat, so wie in der Musik der Sinn eines Satzes, einer Komposition und die dadurch bewirkte Emotion nicht, wie häufig angenommen wird, durch die Abfolge der Töne bestimmt wird, sondern von den zwischen diesen liegenden Intervallen, so ist es auch bei der von Assenza praktizierten Malerei.

In Goethes Farbkreis folgen die Farben eine auf die andere, aber während einige nebeneinander liegen, sind andere durch Intervalle getrennt. Jedes dieser Intervalle hat seine ganz präzise Resonanz: „ „Klang“ bezeichnet sie der Maestro auf deutsch. Die „Klänge“ erzeugen in der Seele ganz bestimmte Empfindungen. Es ist eine Musik der Farben, die ihren Gesang entwickelt.

Die Intervalle haben eine wesentliche Bedeutung in der Malerei Assenzas. Sie verleihen ihr den Sinn und das Leben.

Estratto dalla lettera del 10.10.1973, parte II^

Aber sie werden nicht hier und da zufällig eingesetzt, um etwa Emotionen zu wecken: jedes einzelne muss seine eigene Rechtfertigung haben und sich harmonisch dem Ganzen einfügen.

Die Komposition mit ihren Farben, Gesten und Formen wird dann dem Künstler eine „Idee“ eingeben, die er nun in der Komposition verkörpern wird. Mit der Verwendung des Begriffes „verkörpern“ will Assenza deutlich machen, dass es sich nicht nur darum handelt, die Formen in Figuren „umzuwandeln“, sondern darum, die verschiedenen Teile der Komposition weiter zu bearbeiten (ohne jedoch ihre Natur zu verändern), um sie der Idee anzugleichen, damit alle dazu beitragen, die Umgebung zu schaffen und sie vollendet darzustellen.
Die dritte Stufe: „Transsubstantiation“ der Materie durch die Form und die Idee“ bedeutet in Wirklichkeit eine Fortführung und eine vertiefende Vollendung des vorhergehenden Stadiums. Das heisst, nun wird es die Idee sein, welche zu jeder weiteren Ausarbeitung der Farben, Gesten und Formen inspiriert, damit das Ganze diese unmittelbar und klar zum Ausdruck bringt.
Jedes und jedwedes Element, das als der Idee fremd erscheint, wird verändert und vermindert bis es die Funktion der Stütze der Idee annimmt und verstärkt die Umgebung verdeutlicht.
Selbstverständlich wird jedoch jede Veränderung immer unter voller Berücksichtigung der Natur und der Dynamik der Farben sowie des kompositorischen Gleichgewichtes erfolgen.
Zu grösserer Klarheit und besserem Verständnis sei erwähnt, dass der Assenza sehr liebe Begriff „Transsubstantiation“ in seiner wirklichen und genauen Bedeutung der Verwandlung einer Substanz in eine andere verstanden werden muss.
Wenn zum Beispiel vor diesem Vorgang dem aufmerksamen Beobachter bei der Betrachtung des Gemäldes vor allem und berechtigterweise der Charakter der Komposition ins Auge sprang, worauf er sich sagte: hier gibt es ein Erlebnis von blau-rot oder von orange-violett-grün oder ähnliches, so wird jetzt sein Bewusstsein mit grösster Unmittelbarkeit die Idee des Gemäldes erfassen. Es wird ihm nicht mehr nur als ein einfaches Erleben der Farbe erscheinen, sondern es wird für ihn effektiv zur Idee, in die diese Erfahrung verwandelt worden ist.

Estratto dalla lettera del 10.10.1973, parte I^

SCHÖPFERISCHE FREIHEIT

Für Assenza kann in der Regel die Idee im Bewusstsein des Künstlers auftreten, wenn die Komposition vollendet ist und einen bestimmten Charakter angenommen hat (1° Stufe), aber sie kann auch unvermittelt, wie eine Intuition, im Verlauf der Arbeit auftreten. Dann kann er bereits von diesem Moment an beginnen, in dem Zusammenhang von Farben die Idee zu verkörpern und so den Prozess der Transsubstantiation beginnen.
„Dies ist gewöhnlich der Ablauf im schöpferischen Prozess, aber manchmal überschneiden sich die Zeiten, die Phantasie lenkt das Interesse zur 2° oder sogar zur 3° Stufe, bevor die 1° Stufe erreicht ist.
Dies wollte ich deutlich machen wegen der schöpferischen Freiheit, die sich schlecht verträgt mit der unvermeidlichen Tyrannei der Methode.“
”.
Jedes malerische Vorgehen, das nicht nur rein instinktiv ist, sondern das auf soliden Grundlagen und Prinzipien ruht, muss sich notwendigerweise eine Methode wählen. Wenn man ein malerisches Werk schaffen will, das Inhalt und Form hat, dann müssen viele Momente in Betracht gezogen und berücksichtigt werden. Jedoch, wie der Maestro ausführt, verträgt die im Wesen der Kunst selbst liegende nie auszulöschende schöpferische Freiheit keine Tyrannei der Methode.

Wenn man chronologisch die einzelnen Passagen der Methode von Assenza beschreibt, hat man den Eindruck, eine strengen Disziplin vor sich zu haben. Wie jedoch deutlich aus dem vorher Gesagten hervorgeht, verläuft das Vorgehen in völliger Freiheit, da in der Kunst immer dasjenige, was Dank der Intuition spontan in der Seele auftaucht, respektiert werden muss. Es kann daher geschehen, dass die verschiedenen Passagen nicht immer der beschriebenen Ordnung folgen, sondern sich durchdringen, so wie das Empfinden es eingibt. Es ist jedoch wichtig, dass früher oder später die verschiedenen Punkte der Methode – die wesentlich und unumgänglich sind – ihren Platz und ihre Anwendung finden.

Auf einen Brief des Autors, in welchem er ihm seine Schwierigkeiten in der Realisierung einer Idee darstellte, antwortete der Maestro in seinem Brief vom 06.08.1975 wie folgt:
„Ich verstehe Ihre Probleme hinsichtlich der Gestaltung. Verzichten Sie für eine gewisse Zeit darauf – oder jedenfalls forcieren Sie die Vision nicht. Sie muss von selbst auftauchen, sozusagen aus der Reife des Gemäldes.
Werden Sie nicht müde, auf eine immer klarere Gestaltung hinzuarbeiten (jede Malerei müsste eine eigene, unverwechselbare Physiognomie erreichen), indem Sie etwa auskundschaften, ob etwas in der Phantasie reif geworden ist, das sich organisch und dieses fördernd in das Ganze einfügt.“

Schon in einem früheren Schreiben vom 10.10.1973 hatte Assenza ausgeführt:
„Es ist überflüssig zu unterstreichen, dass es nicht notwendig ist, aus jeder Studie eine bestimmte Darstellung heraus zu gestalten. Die Studienobjekte können sehr gründlich ausgearbeitet werden, auch ohne Figuren und Motive. Es kann sogar ratsam sein, bei der einfachen Farbübung zu bleiben (je einfacher desto besser), als notwendiger Verzicht, um das moralische Erleben im Bewusstsein immer mehr zur Klarheit zu bringen..“
Und dann weiter:
„Wenn die Formen, die Figuren, die Motive sich in Übereinstimmung mit dem Klima und den Formen der ersten Stufe befinden, wird die weitere Entwicklung weniger schwierig erscheinen. Andernfalls entsteht schon in der Komposition ein Kampf zwischen Inhalt (Farbe) und Form.“
Aus all dem Gesagten geht hervor, wie, obwohl das Ziel eines den anthroposophischen Absichten entsprechenden malerischen Prozesses die Darstellung einer Idee bevorzugt, für Assenza doch immer die Schaffung einer Komposition von Farben, die organisch geschaffen war und als Quelle tiefer Empfindungen wirkte, von höchster Bedeutung war.

Estratto dalla lettera del 06.08.1975

Tatsächlich stellt sich die anthroposophische Anschauung der Malerei nach Steiner vor allem die Aufgabe, eine Farbkomposition zu schaffen, in welcher die Farbe Leben und schöpferische Kraft gewinnt, so dass sie das Wesen von Licht-Farbe, das im Universum webt, widerspiegelt.

Wenn dies nicht erreicht wird, dann wird jeder Versuch, später auch Gestaltungen herauszuholen, nur einfache Illustrationen von irgendetwas, eine Darstellung ohne Leben schaffen, da er nicht aus dem lebendigen Wesen der Farbe hervorgeht. Daher forderte Assenza vor allem, hauptsächlich die Komposition der Farben zu pflegen, bis zu dem Punkt, sie im Bewusstsein lebendig zu fühlen und intensiv zu erleben. Auf diese Weise gelangt man dazu, sie wirklich zu kennen. Nur aus diesem bewussten Experimentieren kann die Idee geboren werden.

Obwohl das Grundprinzip der goetheschen Richtung in der Malerei auf die Geburt der Idee zielt, die einer vollendeten Farbkomposition entnommen ist, muss doch auch klar gesagt werden, dass dank der Freiheit in Ausdruck und Verfahren keinerlei Vorurteil die Erlaubnis ausschliesst, Werke zu schaffen, bei welchen man von einem vorgegebenen Thema ausgeht, wenn besondere Umstände dies erfordern.
In solch einem Fall zieht Assenza die Grundfarben in Betracht, die zur Illustration geeignet sind und entwickelt dann die Komposition gemäss der vorhergehenden Beschreibung, das heisst indem er einzig und allein den natürlichen Anforderungen der anfänglich gewählten Farben folgt. Zum Abschluss der Farbkomposition wird er dann nach den Gesten und Formen suchen, die am besten zur Verkörperung und Darstellung des Themas geeignet sind, vorausgesetzt, dass der Entwurf vollkommen abgestimmt ist auf die Farbkomposition und auf natürliche Weise aus ihr hervorgehen kann. Sonst ist es notwendig auf ein solches Thema zu verzichten und aus dieser Komposition das herauszuarbeiten, was wirklich in ihm erahnt werden kann.

UND BILDFARBEN

In seinem Brief vom 06.08.1975 schreibt der Maestro weiter:
„Es wäre an der Zeit, die Behandlung der Bildfarben (sowie die Umwandlung der Glanz- in Bildfarben usw.) zu versuchen. Das ist ein besonders wichtiges Kapitel, auf das wir noch nicht näher eingegangen sind. Ich will mir überlegen, wie ich Ihnen einige Übungen vorschlagen kann.“ ”.

Vor allem in den letzten Jahren seiner malerischen Tätigkeit hat der Maestro sich der Intensivierung der Experimente im Rahmen der von Steiner entwickelten Neueinführung der Klassifizierung der Farben in „Glanz-“ und „Bildfarben“ gewidmet.
Jede von ihnen drückt etwas Wesentliches aus. Was in der Innerlichkeit erglänzt, schafft in ihr ein entsprechendes Bild.

So lässt zum Beispiel die innere Wahrnehmung des Rot (Glanz des Lebens) wie ihren „Schatten“, das Grün, entstehen als totes Bild des Lebens. Dies ist tatsächlich die Charakteristik der lebenden Pflanze.

Um das Verständnis des Unterschiedes zwischen Glanz- und Bildfarben zu vereinfachen, stelle man sich zum Beispiel vor, wie das Gelb, als Glanz des Lichtes und des Geistes definiert, wirklich innerlich als Licht und daher auch als Geist wahrgenommen wird. Dagegen erweckt das Weiss, das demgegenüber als totes Bild des Lichtes und des Geistes klassifiziert wird, in der Tat, wenn man es beobachtet, den Eindruck des Lichtes und der Reinheit des Geistes, aber es lässt sie im Innern nicht als lebendig wahrnehmen, wie dies bei dem Gelb geschieht. Deshalb ist es nur Bild.

So ist auch bei dem Blau, das als Glanz der Seele wahrgenommen wird. Sein „Schatten“, und zwar die Farbe „Pfirsichblüt“, das heisst die Farbe des Inkarnats, wird dagegen als Bild der Seele empfunden, das in der Innerlichkeit des Menschen lebt.

Das Schwarz repräsentiert das tote Bild des Geistes, da - durch den Verbrennungsprozess, durch den das Schwarz entsteht - der Geist frei wird.

Dies sind nur einige einfache Betrachtungen, um eine erste Idee der Komplexität und Tiefe der neuen Anschauung der Farbenwelt zu geben, wie sie Steiner vorstellt.

Mit entsprechenden Lasuren können dann die Bildfarben in Bild-Glanz oder andere in Glanz-Bild verwandelt werden.

Daraus ergibt sich, dass in jeder Komposition, wenn den Farben Figürliches beigefügt wird, das deren Essentialität nach Glanz- oder Bildqualität entspricht, dieses wirklich zum lebendigen Ausdruck dessen wird, was es darstellt.

Vor einem Gemälde des Maestro Assenza, sowie vor einem jeden echten nach Steiners Methode entstandenen Gemälde, darf man nicht gleich danach fragen, was es darstellt, welches der Sinn dieser oder jener Sache ist. Wir müssen zunächst jede Erwägung über die inhaltlichen und formalen Werte beiseite lassen und es nur auf die Seele wirken lassen. Ein Bild ist kein Buch zum lesen!
.
Es soll mit dem von allen Gedanken befreiten Geist betrachtet werden und dann wird die Farbe langsam im Bewusstsein Leben annehmen, es faszinieren, es in jene Welt erheben, die das Gemälde darstellen will. Ich werde ein Gemälde erst erkennen, wenn ich es zuvor in der Seele habe leben lassen.

QDies ist die Malerei des Maestro Beppe Assenza.

Er hat über lange Zeit und sehr aufmerksam die Angaben Steiners studiert, sowohl jene in den Vorträgen enthaltenen als auch diejenigen aus seinen zahlreichen Notizen zu diesem Thema. Von diesen Grundlagen ausgehend hat er ein Verfahren entwickelt, mit dem Ziel, die von Steiner angegebenen Prinzipien und Absichten zu verfolgen, um zur Verwirklichung einer aus der Farbe geschaffenen .Malerei zu kommen. Sein Vorgehen hat Gestalt angenommen und ist heute bekannt als die Methode Beppe Assenza

 
     
         
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